Nationalsozialistischer Black Metal – der Teufel trägt Flecktarn (Teil 2)

Links “Leichenzug” mit Paul Morgenstern beim “Hot Shower Fest V” im Jahr 2016 in Mailand, rechts Mike Vörner, Sänger von “Stahlfront”, bei einem Liveauftritt

Um die Dimension des deutschen “National Socialist Black Metal”, kurz NSBM, begreiflich zu machen, folgt heute ein Porträt einer weiteren NSBM-Band, die aus einschlägig bekannten Neonazis besteht und deren Mitglieder maßgeblich das Konzertgeschehen in Ostdeutschland beeinflussen.

“Stahlfront” – Walhalla oder Neuschwabenland?

Im Jahr 2011 ins Leben gerufen, gilt “Stahlfront” heute als gefragte Band im NSBM-Bereich. Das mag nicht nur an ihrer faschistischen und elitären Aufmachung liegen, sondern vielmehr an den Personen hinter dem Projekt. Abgesehen vom Sänger Mike Vörner, der zuvor nur als Mitglied der “Nationalen Sozialisten Erzgebirge” aufgefallen war, sind alle Beteiligten seit Jahren in der neonazistischen Musikszene aktiv.

Als Live-Mitglied saß anfangs der in Gera wohnhafte Denis Schoner am Schlagzeug. Der 1976 geborene Schoner trat 2009 in Gera für die NPD zur Stadtratswahl an und wirkt auch in der bekannten Thüringer NSBM-Band “Totenburg” mit. Über Schoners Label “Hammerbund” veröffentlicht “Stahlfront” Merchandise-Artikel und mehrere CDs.

Aktueller Schlagzeuger von “Stahlfront” ist Paul Morgenstern, ebenfalls eine exponierte Person in der Rechtsrock- und NSBM-Szene. Seine derzeitigen Projekte sind die Nazibands “Blitzkrieg”, “Brainwash”, “Camulos”, “Leichenzug”, “Manson” und bis vor Kurzem die Zwickauer Trash-Metal-Band “Aeveron”. Zudem betreibt er an seinem Wohnsitz in Wilkau-Haßlau bei Zwickau das NSBM-Label “Blasphemous Terror Records”.

Den Bass bei “Stahlfront” spielt Michael Frenzel aus Zwickau. Er ist auch in der NS-Hardcore-Band “Eternal Bleeding” aktiv und war in die Nazistrukturen “Freies Netz” und “Nationale Sozialisten Zwickau” (“NSZ”) eingebunden. Gemeinsam mit den NSZ-Kadern Alexander Schliwka und André Steiniger war Frenzel in den Zweitausender Jahren Teil der NSHC-Band “Diary of a dying nation”.

Der Gitarrist von “Stahlfront”, Björn “W. Dietrich” Eichhorn aus dem Raum Chemnitz, ist neben seiner musikalischen Tätigkeit auch für einen Großteil des NSBM-Konzertgeschehens in Sachsen und Thüringen verantwortlich. Zusammen mit Stev Lippold organisierte er in den Zweitausender Jahren NSBM- und Rechtsrockkonzerte im “Gleis 3” in Annaberg-Buchholz (Sachsen). Mit “Mephistopheles Concerts” war Eichhorn auch für die Organisation des jährlichen Black-Metal-Festivals “Fireblade Force” im sächsischen Lichtenstein bei Zwickau verantwortlich. Dort traten zwischen 2007 und 2009 u.a. die NSBM-Bands “Leichenzug” (Zwickau), “Satanic Warmaster” (Finnland) und “Nachtfalke” (Schneeberg) auf. Unterstützt wurde Eichhorn vom rechten Black-Metal-Magazin “Ablaze”, hinter dem Hendrik Möbus von der Naziband “Absurd” stehen soll. Zum Sicherheitsdienst des Festivals gehörten u.a. die Chemnitzer Nazi-Hooligans und Rechtsrocker Jörg und Kay Richter sowie der im NSU-Prozess angeklagte André Eminger.

Nach 2009 versuchte Eichhorn, unter dem Titel “Fireblade Force” erneut Konzerte durchzuführen. So sollten im Jahr 2013 “Stahlfront” ihren ersten Live-Auftritt absolvieren, doch das Konzert wurde behördlich verboten. Es sollte auf dem Gelände von Klaus Mann in Finowfurt (Brandenburg) stattfinden. Mann war bis vor Kurzem Ansprechpartner der Nazipartei “Die Rechte” in Brandenburg.

Momentan scheint Eichhorn unter einem anderen Namen regelmäßig Nazi-Konzerte zu veranstalten. Angelehnt an die aktuelle Vertriebsstruktur von “Stahlfront” namens “Neuschwabenland Propaganda” nennt sich seine Agentur “Neuschwabenland Konzerte”. Mit Hilfe regionaler Neonazis konnte Eichhorn seit Oktober 2016 bislang sieben Konzerte veranstalten. Einige davon fanden in Ronneburg (Thüringen) in einen Objekt an der Straße An der Galgenmühle statt, andere in einer ehemaligen Diskothek in Aue (Sachsen), die heute als Mietlokal “De Flint” vermarktet wird.

Im Rahmen dieser “Neuschwabenland Konzerte” traten u.a. die auswärtigen NSBM-Bands “Ad Hominem” (Frankreich), “Dark Fury” (Polen), “Blessed in Sin” (Frankreich), “Arkona” (Polen), “White Death” (Finnland) und “Goatmoon” (Finnland) auf. Auch den in Deutschland ansässigen NSBM-Gruppen “Ahnenerbe” (Sachsen-Anhalt), “Artam” (Glauchau, Sachsen), “Blutsturm” (Dresden), “Camulos” (Zwickau/Potsdam), “Heimdalls Wacht” (Nordrhein-Westfalen) und “Runenwacht” (Baden-Württemberg) wurde eine Bühne geboten. Und natürlich spielte auf drei dieser Veranstaltungen “Stahlfront”. Jeweils 200 bis 400 Personen besuchten diese Konzerte. Die Behörden listen sie zwar als Veranstaltungen der rechten Musikszene, doch an den Konzerttagen bleiben die Nazi-Black-Metaller weitgehend unter sich. Um es mit den Worten eines Besuchers von einem dieser Konzerte in Aue auszudrücken: “Irgendwo im Nirgendwo, dafür ohne Stress mit der Staatsmacht und anderem unliebsamen Gesindel”.

Mit Konzerten, Musikern und Fans hat die NSBM-Szene im dünn besiedelten sächsischen Erzgebirge ein festes Standbein, unterstützt durch vorherrschende rechte Sympathien, der Billigung der Behörden und leicht zugängliche Räumlichkeiten. Einzig ein Konzert der Reihe “Hell Unleashed”, die üblicherweise im “Club Seilerstraße” in Zwickau stattfinden, musste im April 2017 aufgrund öffentlichen Drucks verlegt werden. Die Konzertveranstalter konnten auch dabei auf Personen wie etwa Paul Morgenstern setzen, der über jahrelange Erfahrung mit konspirativen Konzerten verfügt. Das Konzert, bei dem u.a. die französische NSBM-Band “Peste Noire” auftreten sollte, fand schließlich in einem Tanzsaal im nahem Culitzsch statt, einem Stadtteil von Paul Morgensterns Wohnort Wilkau-Haßlau.

Im April 2018 soll die NSBM-Band “Stahlfront” auf dem “Hot Shower Fest VII” spielen. Schon 2015 sollte die Band um Björn Eichorn dort auftreten, was aber aufgrund interner Meinungsverschiedenheiten nicht realisiert wurde. Dem Veranstalter war wohl die geforderte Gage zu hoch, und “Stahlfront” selbst waren offenbar nicht begeistert von der Atmosphäre des Festivals vor Ort. So schrieb die Band vor dem geplanten Auftritt: “Wenn man als Veranstalter eine ernsthaft politisch motivierte Gruppe auftreten lassen möchte, dann soll das auch im dazugehörigen Rahmen passieren und nicht beim Saufgelage, wo Hinz und Kunz aus nah und fern einmal im Jahr den Mussolini tanzen lassen und dann wochenlang mit geschienten Arm zu Hause sitzen um eine Schleimbeutelentzündung vom stundenlangen ‚Abhitlern‘ auszukurieren”.

Dieses Statement zeigt nicht nur, wo sich “Stahlfront” verortet, nämlich als explizit neonazistische Band, sondern gibt auch Aufschluss über die Stimmung, die auf dem “Hot Shower Fest” vorherrscht.

Ein unvollständiger Abriss des Konzertgeschehens der Bands “Leichenzug” und “Stahlfront”:

  • 21. August Auftritt von “Leichenzug” im “Gleis 3” in Annaberg-Buchholz (Sachsen), mit “Totenburg” (Thüringen) und “Magog” (Pirna)
  • 9.-10. Oktober 2009 geheimer Auftritt von “Leichenzug” auf dem “Fireblade Force”-Festival in Lichtenstein (Sachsen)
  • 9. Januar 2010 Auftritt von “Leichenzug” im “Gleis 3” in Annaberg-Buchholz (Sachsen), mit “Magog” (Pirna)
  • 15. Juni 2013 Auftritt von “Leichenzug” in Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern), u.a. mit “Adoria” (Bayern)
  • 2. November 2013 erster Auftritt von “Stahlfront” in Finowfurt (Brandenburg), u.a. mit “Leichenzug”, “Sarkrista” (Schleswig-Holstein) und “Forgotten Tomb” (Italien)
  • 20. Februar 2016 Auftritt von “Stahlfront” in Berzy-le-Sec (Frankreich), u.a. mit “Nordglanz” (Raum Frankfurt am Main) und “Baise Ma Hache” (Frankreich)
  • 2. April 2016 Auftritt von “Leichenzug” beim “Hot Shower Fest V” in Mailand (Italien), u.a. mit “Graveland” (Polen) und “Goatmoon” (Finnland)
  • 8. Oktober 2016 Auftritt von “Stahlfront” in Ronneburg (Thüringen), u.a. mit “Artam” (Sachsen) und “Arkona” (Polen)
  • 15. Oktober 2016 Auftritt von “Leichenzug” in Finnland, u.a. mit “Horna” und “Nekrokrist SS” (beide Finnland)
  • 25. März 2017 Auftritt von “Stahlfront” in Aue (Sachsen), u.a. mit “Ahnenerbe” (Sachsen-Anhalt) und “Ad Hominem” (Frankreich)
  • 13. Mai 2017 Auftritt von “Stahlfront” in Aue (Sachsen), u.a. mit “Goatmoon” und “White Death” (beide Finnland)

Paul Morgenstern (im Jahr 2004 beim Angriff auf eine Antifa-Demo in Chemnitz), Michael Frenzel, Björn Eichhorn (beim Nazifestival “Rock für Identität” 2017 in Themar, Foto Recherche Nord)

Mietlokal “De Flint” in Aue (Sachsen)