Nazi-Musiklabels – Agitatoren und Profiteure

Neonazi-Musik ist nichts ohne ihre Vertriebskanäle. Musiklabels und Handelsunternehmen produzieren, bewerben und verkaufen Tonträger von Nazibands, produzieren Merchandise-Artikel und verbreiten die nationalsozialistische Ideologie auch über das Internet. Fünf der bundesweit bedeutendsten und umsatzstärksten Labels, allesamt mit angeschlossenem Versandhandel, stellen wir heute vor. Jedes einzelne von ihnen dürfte einen sechsstelligen Jahresumsatz aufweisen.

PC Records

Links Yves Rahmel und Steve Geburtig auf einem Nazi-Festival (Foto Recherche Nord), rechts Hendrik Lasch

Um das Jahr 2000 herum in Chemnitz (Sachsen) gegründet, entstammt das Musiklabel “PC Records” dem Umfeld der sächsischen “Blood & Honour”-Sektion. Gründer Hendrik Lasch steht aber nicht nur “Blood & Honour” nahe, sondert ist auch Mitglied des Rockerclubs “Motorradstaffel Kreuzeiche Germania” und war seit mindestens 1994 mit dem NSU-Terroristen Uwe Mundlos befreundet.

“PC Records” war zunächst in Laschs Ladengeschäft “Backstreet Noise” integriert. Im Jahr 2002 übernahm Silvio Strauch aus Dresden das Label und den Laden. Ein Jahr später wurde “PC Records” in ein separates Ladengeschäft ausgegliedert. Dessen Inhaber war ab dem Jahr 2004 der Neonazi Yves Rahmel, während Hendrik Lasch im gleichen Jahr wieder “Backstreet Noise” übernahm. Ungefähr zur gleichen Zeit zogen beide Läden an ihren jetzigen Standort, die Dr.-Salvador-Allende-Straße 110 in Chemnitz.

Ebenso wie Hendrik Lasch fiel auch Yves Rahmel als Veranstalter von Nazikonzerten auf. Ende 2010 kaufte Rahmel ein Haus im Chemnitzer Stadtteil Markersdorf und ließ es zu einem rechten Schulungs- und Veranstaltungszentrum ausbauen. Er gilt als eifriger Finanzier verschiedener neonazistischer Gruppierungen in der Stadt. Im Jahr 2012 verurteilte das Amtsgericht Chemnitz den 1981 geborenen Yves Rahmel zu einer Geldstrafe, weil “PC Records” CDs mit volksverhetzenden Inhalten produziert und vertrieben hatte.

Auf “PC Records” erschien auch im Jahr 2010 das Album “Adolf Hitler lebt” von “Gigi & Die Braunen Stadtmusikanten”. Darauf befindet sich das Lied “Döner-Killer”, in dem Sänger Daniel Giese die Mordserie des später aufgedeckten “Nationalsozialistischen Untergrunds” (NSU) lobend besingt – während die Polizei im Umfeld der Ermordeten ermittelte und ein mögliches rassistisches Tatmotiv ignorierte. Es war ausgerechnet das direkte Umfeld von “Blood & Honour” in Chemnitz, das die abgetauchten Neonazis jahrelang unterstützt hatte.

Seit 2014 wird “PC Records” zumindest auf dem Papier von Steve Geburtig geführt. Yves Rahmel arbeitet nun als Angestellter weiter. Auch Geburtig ist seit Jahren in der Rechtsrock-Szene aktiv.

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Yves Rahmel (kariertes Hemd) und “PC Records”-Mitarbeiter Holger Mentler (“Blood & Honour Magdeburg”, blaues Hemd) bei einem Nazikonzert in Nienhagen (Sachsen-Anhalt) am 28. Juni 2014 (Foto flickr)

Front Records und Gjallarhorn Klangschmiede

“Front Records”: Thomas Persdorf, Thorsten Richter geb. Krzemin, Henry Behr, Dierck Wagner (Fotos GAMMA 193, flickr)

Das Label “Gjallarhorn Klangschmiede” wurde im Jahr 2003 vom Neonazi Malte Redeker aus Ludwigshafen gegründet. Dutzende CDs namhafter Rechtsrock-Bands werden dort Jahr für Jahr produziert, etwa von “Endlöser”, “Sonderkommando Dirlewanger”, “TreueOrden” und “White Resistance”. Der 1976 geborene Redeker vertreibt die Tonträger u.a. über seinen Versandhandel “Frontmusik”. Malte Redeker ist eine zentrale Figur des weltweiten Neonazi-Netzwerks “Hammerskins” und fiel u.a. durch die Organisation von Nazikonzerten auf, etwa dem von mindestens 1500 Neonazis besuchten “European Hammerfest” am 3. November 2012 in Toul (Frankreich). Ende der Neunziger Jahre hielt Malte Redeker engen Kontakt zu Scott Stedeford, Mitglied der rechtsterroristischen US-amerikanischen “Aryan Republican Army”.

“Front Records” entstand hingegen im Umfeld des damals konkurrierenden Nazinetzwerks “Blood & Honour”. Thomas Persdorf gründete das Musiklabel nebst Versandhandel im Jahr 2001 im Raum Wurzen (Sachsen), kurz nach dem Verbot von “Blood & Honour Deutschland”. Persdorf wurde später vorgeworfen, die Neonazi-Organisation in Deutschland illegal weitergeführt zu haben. Er bunkerte T-Shirts und Fahnen mit Aufdrucken wie “Combat 18”, dem terroristischen Arm von “Blood & Honour”, und übernahm den Vertrieb von CDs der später als kriminelle Vereinigung verbotenen Naziband “Landser”. Im Jahr 2011 wurde Thorsten Richter, 1977 geboren als Thorsten Krzemin, Geschäftsführer von “Front Records”. Richter war früher Leiter der bayrischen “Blood & Honour”-Sektion. Später lag “Front Records” kurzzeitig in den Händen des Neonazis Henry Behr aus Wittenberg (Sachsen-Anhalt).

Anfang 2016 übernahm die “Front Records”-Betreiberfirma “Falkenhainer Textil UG” Redekers Label “Gjallarhorn Klangschmiede” sowie “Frontmusik”. Ein knappes Jahr später ging die Firma insolvent, und ein neues Unternehmen namens “Muldentaler Textil UG” übernahm die Labels und Vertriebsangebote. Zumindest auf dem Papier, denn die neue Firma sitzt am alten Standort in der nahe Wurzen gelegenen Gemeinda Lossatal. Geschäftsführer ist der aus Ludwigshafen stammende Dierck Wagner, der für die NPD kandidiert und die Neonazi-Schlägertruppe “LuNaRa” (Ludwigshafener Nationalisten und Rassisten) mitgegründet haben soll. Aufgrund dessen liegt eine enge Verbindung zu Malte Redeker nahe. Unklar ist aber, wer hier wen übernommen hat – Wagner selbst macht eher den Eindruck, ein Strohmann zu sein.

Dass ein Musiklabel der “Hammerskins” und eines aus dem “Blood & Honour”-Umfeld sich zusammentun, könnte irritieren, verband die beiden konkurrierenden Organisationen doch eine jahrelange Fehde. Dass diese womöglich beigelegt ist, zeigte auch das von Malte Redeker mitorganisierte “Hammerfest” 2012 in Toul, das mit dem Vermerk “Everyone is welcome!” angekündigt wurde. So bewarben auch mehrere “Blood & Honour”-Strukturen die Party. Während die deutsche “Blood & Honour”-Division im Jahr 2000 verboten wurde, blieben die “Hammerskins” von der deutschen Justiz bislang verschont.

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Rebel Records

Martin Seidel am 29. Juli 2017 beim “Rock für Identität” in Themar (Foto Recherche Nord)

Beim Produzieren und Vermarkten von Nazipunk und rechter Skinhead-Musik ist “Rebel Records” seit Jahren eine feste Größe in der Naziszene. Das 2005 im bayrischen Freising gegründete Unternehmen hat seinen Sitz seit einigen Jahren in Cottbus (Brandenburg). Der Betreiber Martin Seidel ist zudem Sänger der Rechtsrock-Band “Hausmannskost”, spielte auch bei “Frontalkraft” mit, betreibt in Cottbus das Ladengeschäft “Devil’s Right Hand Store” und dient als Strohmann für den Vertrieb der Nazi-Kampfsportmarke “Black Legion”. Der Name seines Geschäfts geht auf das gleichnamige Lied der Naziband “Klansmen” zurück, einem Projekt des einstigen “Skrewdriver”-Sängers Ian Stuart Donaldson.

Mit “Rebel Records” organisiert und unterstützt Seidel des Öfteren Nazikonzerte, die überwiegend im “Alten Gasthof Staupitz” in Torgau (Sachsen) stattfinden. Tickets und Konzert-Shirts gibt es bei “Rebel Records” ebenso zu kaufen wie CDs und Merchandise Dutzender anderer namhafter Nazibands, etwa von “Endstufe”, “Eugenik”, “Faustrecht”, “Punkfront” oder “Spreegeschwader”.

Oldschool Records

Benjamin Einsiedler am 29. Juli 2017 beim “Rock für Identität” in Themar (Foto Recherche Nord)

Kurz nach der Jahrtausendwende gründete Benjamin Einsiedler im Raum Memmingen (Bayern) “Oldschool Records”, eines der heute bedeutendesten Labels für Nazimusik aller Art. Mit der Mindelheimer “Blood & Honour”-Band “Faustrecht” holte er sich ein Zugpferd der internationalen Rechtsrockszene unter Vertrag. Es folgten die Bands “Codex Frei”, “Kommando Skin” und “Sturmtrupp”, die ebenfalls dem 2000 in Deutschland verbotenem “Blood & Honour”-Netzwerk angehören.

Lokal war die 1994 gegründete Naziband “Faustrecht” an die Kameradschaft “Skinheads Allgäu” angebunden, die allerdings 1996 verboten wurde. Als Nachfolger gilt die 2002 gegründete Nazi-“Bruderschaft” “Voice of Anger”, der auch Benjamin Einsiedler angehört. Die mit rund 80 Mitgliedern im Süden Deutschlands fest verankerte Kameradschaft unterhielt eine ehemalige Gartenschänke bei Memmingen als Clubhaus, welches allerdings im April 2017 angezündet wurde und bis auf die Grundmauern niederbrannte. Im Sommer 2017 produzierte Einsiedler mit seinem Label einen Sampler anlässlich des 15-jährigen Bestehens von “Voice of Anger”.

Neben “Oldschool Records” betreibt Einsiedler auch den Siebdruck-Shop “EPS-Einsiedler Print Store” und die Firma “EPS-Werbetechnik”. Textilien und Merchandise für Neonazis, etwa T-Shirts mit dem Aufdruck “I Love NS”, werden über seine Firma ebenso produziert wie Shirts für Abiturfeiern. Seit 2014 betreibt Einsiedler zudem das vorgeblich “unpolitische” Label “Subcultural Records”. Mit Bands wie “Pitbullfarm” (Schweden), die zwar im schwedischen Ableger von “Blood & Honour” zu verorten ist, nach außen aber aber als “Spaßprojekt” auftritt, will “Subcultural Records” den rechtsoffenen Teil der Oi-Szene ansprechen. Ähnlich sieht es bei der Allgäuer Band “Prolligans” aus, die in der Oi-Szene schon seit Jahren umstritten sind. Spätestens nach einem Besetzungswechel vor einigen Jahren gehört “Prolligans” zur mehr als nur rechtsoffenen Szene. Die Hälfte der Bandmitglieder sind nun auch bei den Nazibands “Smart Violence”, “Hard As Nails” oder eben “Faustrecht” aktiv.

Im Jahr 2014 wurde “Oldschool Records” durchsucht und CDs mit volksverhetzenden Texten sichergestellt. Einsiedler wurde im November 2016 zu einer milden Geldstrafe verurteilt, gegen die er Berufung einlegte. Dem Geschäft mit Nazimusik tat das zunächst keinen Abbruch. Kürzlich etwa veröffentlichte Einsiedler eine Split-CD mit den Nazibands “MPU” (Raum Hof), “Overdressed” (Raum Chemnitz) und “Smart Violence”, die auf einem von den “Hammerskins Franken” organisierten Konzert am 2. Dezember 2017 in Kircheim (Thüringen) vorgestellt wurde. Dort spielte auch die Oi-Band “Schusterjungs” aus Sachsen-Anhalt, die ähnlich wie “Prolligans” natürlich “vollkommen unpolitisch” ist.

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OPOS Records

Sebastian Raack (2017), Michael Lorenz (2012), “Parkgaststätte” in Lindenau (2017)

Das Label “OPOS Records” existiert seit 2007. Zugpferde des Unternehmens sind nationalsozialistische Hardcore/Metalcore-Bands wie “Brainwash” und “Moshpit” sowie Rechtsrock-Gruppen wie “Confident of Victory”. Die Betreiber Sebastian Raack und Michael Lorenz waren bis zu dessen Verbot in Deutschland im Jahr 2000 Mitglieder des Neonazi-Netzwerks “Blood & Honour”. “OPOS” steht für “One People One Struggle”, also “Ein Volk, ein Kampf”, und erinnert nicht zufällig an die NSDAP-Losung “Ein Volk, ein Reich, ein Führer”. “OPOS Records” hat bisher weit über 100 CDs produziert, von denen zahlreiche wegen jugendgefährdender Inhalte indiziert wurden, und sponsort neonazistische Gruppen und Veranstaltungen wie etwa das “Aktionsbündnis gegen das Vergessen”, das den jährlichen Naziaufmarsch am 13. Februar in Dresden veranstaltet, und die Nazi-Open-Airs “Thüringentag” und “JN-Sachsentag”.

Im Jahr 2008 veröffentlichte das Label die ersten zwei CDs und versuchte sogleich, zusammen mit anderen Neonazis eine Bewegung namens “One Family” zu etablieren. “OPOS Records” kooperierte dafür zunächst mit dem “Hate-Front”-Versand, der von Martin Stangl aus dem bayrischen Burglengenfeld betrieben wurde und seinen Sitz nach Leipzig verlegt hatte. Unter der Marke “One Family Records” vermarkteten “OPOS Records” und “Hate Front” in den Jahren 2009 und 2010 zusammen Kleidung und CDs. “Hate Front” verschwand im Jahr 2010 von der Bildfläche, doch die Kampagne “One Family” ist bis heute ein erfolgreicher Trick von “OPOS Records”, um Sympathien aus der Naziszene zu sichern, sich mit Nazibands und konkurrierenden Labels zu vernetzen und von der eigenen Kommerzialisierung abzulenken. Im Rahmen der “One Family” organisierte “OPOS Records” beispielsweise im Jahr 2014 eine Spendenkampagne für die österreichische Naziband “Terrorsphära”.

Für die Gestaltung der CDs und T-Shirts bei “OPOS Records” zeichnen René Weiße (“Mudhater Design”) und Ricardo Gutte (“Doomsdaykvlt”) verantwortlich. Weíße ist der Sänger der NS-Hardcore-Band “Brainwash”, Gutte spielt u.a. bei “Moshpit”. Zur “One Family” gehören weiterhin die Bands “Outlaw” und “Hope for the Weak”, in denen die “OPOS”-Inhaber Sebastian Raack und Michael Lorenz mitspielen. Auch Neonazi-Musiker wie Mario Rudolf und Tobias Schütze gehören zur Stammbelegschaft der “OPOS”-Bands und spielen u.a. bei “Hope for the Weak” mit.

Mit der Kleidungsmarke “Greifvogel Wear” versuchten Sebastian Raack und Michael Lorenz im Jahr 2014 den Einstieg in das neonazistische Kampfsportgeschehen. Bei der Anmeldung der Marke half die bei Neonazis beliebte Leipziger “Anwaltskanzlei Braeske, Hohnstädter, Thomas, Otto”, der auch der spätere “Legida”-Vorsitzende Arndt Hohnstädter angehörte. Mehrere Neonazis ließen sich seitdem vor den Karren des “Greifvogel Team” spannen, so etwa Gabriel Graf aus Bischofswerda (Sachsen), der bei der rechten “Imperium Fighting Championship IV” am 26. März 2016 in Leipzig für “Greifvogel Wear” antrat, oder Stefan Baer und Lucien Schönbach beim Nazi-Kampfsportevent “Kampf der Nibelungen” am 17. Oktober 2015.

Zum Vertrieb von Musik und Kleidung betrieben die “OPOS”-Inhaber Lorenz und Raack von 2007 bis November 2016 das Ladengeschäft “Neverstraight Clothes” und das “Tattoostudio Neverstraight” im Dresdner Einkaufszentrum “Mälzerei”. Ende 2016 zogen Label und Laden in Raacks alte Heimat, die Gemeinde Lindenau (Brandenburg), wo Raack die “Parkgaststätte” erworben hatte. Im Nachbardorf Ortrand ersteigerte Raack ungefähr zur gleichen Zeit das “Deutsche Haus”. In der “Parkgaststätte” veranstaltet Raack rechte Konzerte.

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