Blitzkrieg – im engsten Umfeld des NSU

Oben: “Blitzkrieg” im Jahr 2011. Unten: Paul Morgenstern (hier bei einer anderen Band am Schlagzeug), Christian Sobeck, Jörg Richter, Kay Richter.

Die 1999 in Chemnitz (Sachsen) formierte Rechtsrock-Band “Blitzkrieg” genießt in der Nazi-Szene vor allem durch ihr langjähriges konspiratives Auftreten einen Ruf als “authentische” Band. Sie ist eine der Gruppen, die in den vergangenen Jahren nicht viel zur Weiterentwicklung der rechten Musikszene beigetragen haben und auch nicht Hit auf Hit produzieren. Und doch treten die Mitglieder so selbstsicher und selbstgefällig auf, dass sie aus der neonazistischen Musiklandschaft heute kaum wegzudenken sind. Das hat natürlich auch viel mit den Personen hinter dem Projekt und ihrem Engagement für die “nationale Sache” zu tun.

Sänger Jörg “Kicke” Richter und sein Bruder Kay “Kacke” Richter, der bei “Blitzkrieg” am Schlagzeug sitzt, waren schon Ende der Neunziger Jahre fest in sächsischen “Blood & Honour”-Strukturen verankert. Innerhalb der im Jahr 2000 in Deutschland verbotenen Organisation waren sie europaweit für den Saalschutz bei Rechtsrock-Konzerten zuständig.

Das kam nicht von ungefähr, gehören die Richter-Brüder doch zur alten Riege der Chemnitzer Fußballschläger “HooNaRa” (“Hooligans Nazis Rassisten”), die selbst in der Hooligan-Szene lange gefürchtet waren. Chef der “HooNaRa” war Anfang der Zweitausender Jahre der mittlerweile verstorbene Gerüstbauer Rico Malt. Gemeinsam mit den Richter-Brüdern und anderen Hooligans des Chemnitzer FC war Malt einer der neonazistischen Vorreiter in Sachen Kampfsport und trat etwa im “Fight Club Karl-Marx-Stadt” an. Die “HooNaRa” waren auch am massiven, organisierten Angriff auf eine antifaschistische Demonstration in Chemnitz im Jahr 2004 beteiligt.

Trainiert wurden Rico Malt, Kay Richter und andere Schläger der “HooNaRa” von Gregor Reinhardt in der “Muay Thai Schmiede” in Thalheim. Neben Kay Richter ist auch der ursprünglich aus Jena stammende Neonazi Mirko Szydlowksi, bekannt als Liedermacher “Barny”, bis heute in Reinhardts Trainingsgruppe zu finden. Der Kontakt Richters zu Reinhardt entstand in der aktiven Zeit der Chemnitzer “Blood & Honour”-Sektion. Diese Verbindung dürfte auch dafür gesorgt haben, dass “Blitzkrieg” im Jahr 2008 einen Proberaum bzw. ein Tonstudio in demjenigen Gebäude in Thalheim anmieten konnten, in dem auch das Fitnessstudio “Relax” sitzt. Dieses Fitnessstudio beherbergt u.a. die “Muay Thai Schmiede” und wird von dem rechtsoffenen Kraftsportler Alexander Mende betrieben.

Kay Richter war auch in die Absicherung von Veranstaltungen der NPD-nahen Chemnitzer “IG Stadtgeschichte” eingebunden. Zudem war er u.a. Teil des Sicherheitsdienstes eines NS-Black-Metal-Konzerts in Lichtenstein (Sachsen) im Jahr 2007. Bei letzterem waren auch der NSU-Unterstützer André Eminger und andere Neonazis aus ehemaligen sächsischen “Blood & Honour”-Strukturen als Türsteher eingesetzt, darunter der Rechtsrockmusiker Andreas Graupner.

Die Richter-Brüder, Graupner und andere bekannte Chemnitzer Mitglieder von “Blood & Honour” bewohnten damals im Chemnitzer Heckert-Gebiet ein Haus, in dem kurz nach ihrer Flucht aus Jena auch die NSU-Mitglieder Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt unterkamen.

Die Nähe zum NSU lässt sich auch bei Paul Morgenstern, dem Gitarristen von “Blitzkrieg”, wiederfinden. Der in Wilkau-Haßlau bei Zwickau wohnhafte Morgenstern begann seine musikalische “Karriere” in der Band “Westsachsengesocks”. Deren Sänger Ralf “Manole” Marschner war nicht nur Teil von “Blood & Honour Sachsen” und organisierte zahlreiche Konzerte, sondern betrieb fast zehn Jahre einen rechten Szeneladen. Bis 2002 war er als Spitzel für das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz tätig. Dem NSU soll er in seinem Laden “The Last Resort Shop” und in seiner Baufirma Arbeitsplätze verschafft haben.

Paul Morgenstern, 1980 in Kirchberg geboren, wirkte auch bei der um 1998 gegründeten Chemnitzer Naziband “Keine Reue” mit, die sich später in “Might of Rage” umbenannte. Am Bass stand dort das “Blood & Honour”-Mitglied Michael “Wüste” Lorenz. Lorenz und Morgenstern sind auch in der NS-Hardcore-Band “Brainwash” aktiv. Morgenstern, der in der Szene als “Paule” und “Bile” auftritt, betreibt auch das NS-Black-Metal-Label “Blasphemous Terror Records”, wirkte bei Frank Krämers rechtem Neofolk-Projekt “Halgadom” mit, sitzt bei den NSBM-Bands “Stahlfront” und “Camulos” am Schlagzeug und ist Kopf der ebenfalls im rechten Black-Metal-Bereich angesiedelten Band “Leichenzug”. Zusammen mit Patrick Janssen führte Morgenstern dessen Band “Yggdrasil” unter dem Namen “Frozen Abyss” fort. Ende 2014 machte Paul Morgenstern Schlagzeilen, als seine Mitgliedschaft in der AfD bekannt wurde. Kurz nach Bekanntwerden trat der Neonazi aus der “Alternative für Deutschland” aus.

Durch einen ähnlichen Werdegang wie André Eminger – in Westsachsen lebend, aus der Rechtsrock-Szene um “Blood & Honour” stammend und in der sächsischen NS-Black-Metal-Szene gelandet – muss von einem intensiven Kontakt zwischen Eminger und Morgenstern ausgegangen werden. Zudem war Morgenstern mit dem Freundeskreis in Chemnitz, der den NSU kurz nach ihre Flucht beherbergt hatte, stark vertraut. Er war in die Naziszene in Zwickau eingebunden, die dem NSU ab 2001 Wohnungen besorgte.

Auch der ehemalige “Blitzkrieg”-Gitarrist Thomas Rothe alias “Dackel” lebte damals in dem Wohnhaus im Chemnitzer Plattenbaugebiet, wo fast nur Neonazis wohnten. Rothes Wohnung war es damals, in der Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe im Jahr 1998 unterkamen.

Zur “Blitzkrieg” gehört seit mehreren Jahren auch der Zwickauer Neonazi Christian Sobeck an der Gitarre. Sobeck spielt in zahlreichen weiteren Nazibands, darunter “Confident of Victory”.

Ein unvollständiger Abriss des Konzertgeschehens, an dem die oben genannten Musiker mitwirkten:

  • 24. September 1998 Auftritt von “Westsachsengesocks” in Sachsen, u.a. mit “Max Resist” (USA)
  • 13. November 1999 erster Auftritt von “Might of Rage” in Schorba (Thüringen), u.a. mit “Stahlgewitter”, organisiert von “Blood & Honour Brandenburg”
  • Mai 2000 vermutlich der erste Auftritt von “Blitzkrieg” in Geringswalde (Sachsen), u.a. mit “Might of Rage”, “Excalibur” (Tschechien) und “Solution” (Leipzig)
  • 29. Februar 2004 Auftritt von “Blitzkrieg” in Chemnitz, u.a. mit “Radikahl” (Thüringen), organisiert vom NSU-Unterstützer und “Blood & Honour”-Kader Hendrik Lasch
  • 27. März 2005 Auftritt von “Blitzkrieg” in Hohenstein-Ernstthal (Sachsen), u.a. mit “Final War” (USA), organisiert von Rico Malt und “HooNaRa”
  • 2006 Auftritt von “Blitzkrieg” in Bayern, u.a. mit “Stahlgewitter”, “SKD” (Thüringen) und “Valhallas Patriots” (Sachsen-Anhalt), organisiert von den “Hammerskins Franken”
  • 2. August 2008 Auftritt von “Blitzkrieg” in Tschechien, u.a. mit “Saga” (Schweden)
  • 23. Januar 2010 Auftritt von “Blitzkrieg” in Slowenien, u.a. mit “Sturmtrupp” (Bayern) und “Ohne Worte” (Zwickau), organisiert von “Blood & Honour Wien”
  • 13. Juli 2012 Auftritt von “Blitzkrieg” in Finnland, u.a. mit “Kraftschlag”, organisiert von “Blood & Honour Finnland”
  • 12. Dezember 2015 Auftritt von “Blitzkrieg” beim “Rock against Refugees” in Niesky (Sachsen), u.a. mit “Frontalkraft” (Cottbus)
  • 7. Mai 2016 Auftritt von “Blitzkrieg” beim “Rock für Identität” in Hildburghausen, u.a. mit “Sleipnir” (NRW)
  • 18. März 2017 Auftritt von “Blitzkrieg” beim Nazikonzert “Defend Europe” in Heudicourt-sous-les-Côtes (Frankreich), mit “Division Germania”, “Fortress”, “Heiliger Krieg” und “Squadron”, organisiert von den “Hammerskins”
  • 3. Juni 2017 Auftritt von “Blitzkrieg” in Schweden, u.a. mit “Hundriver” (Ungarn), organisiert von “Blood & Honour Schweden”

Mehr dazu:

Links: Rico Malt während eines Angriffs auf eine antifaschistische Demonstration in Chemnitz 2004. Mitte: Jörg oder Kay Richter bei dem gleichen Angriff. Rechts: Thomas Rothe im Jahr 2017.